Diesen Abend werden die Mitglieder der Sozialdeputation in Bremen nicht so schnell vergessen.
Ca. 100 Jugendliche sowie zahlreiche Vertreter*innen der der Freien Träger der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) waren am Mittwoch, den 29.11.2023, 15.00 Uhr, zur Deputationssitzung erschienen, um – wie in den vergangenen Wochen auch – mit Transparenten und Plakaten und noch mehr Nachdruck auf deren prekäre finanzielle Situation bzw. die seit Jahren bestehende Unterfinanzierung hinzuweisen.
Klar, deutlich und selbstbewusst formulierten die jungen Menschen ihre Kritik an die Deputierten, die nach ihrer Meinung kein klares Bekenntnis FÜR die Kinder- und Jugendarbeit abgaben.
So war die Frage eines Jugendlichen an die Senatorin nicht misszuverstehen:“ Wollen Sie uns nun unterstützen oder nicht?“
Egal, wie man es dreht und wendet, die Kinder- und Jugendarbeit ist „chronisch krank“, leidet seit Jahren und das mit den typischen Begleiterscheinungen:
Von den Budgets müssen z.B. die in den Stadtteilen befindlichen Jugendhäuser finanziert werden. Gehälter und Honorare für festangestellte und freie Mitarbeitende fallen an. Hinzu kommen die stark gestiegenen Energiekosten und viele weitere Ausgaben für Projekte und Maßnahmen.
Bei gleichbleibender Mittelzuwendung stehen viele Vorhaben und Einrichtungen vor dem Aus oder müssen ihre Angebote noch weiter einschränken: Personalmangel, unzureichende Öffnungszeiten, fehlende Ferienprogramme und Wochenendangebote sind jetzt schon Alltag.
Eine Katastrophe, wenn man die Lebensumstände vieler junger Menschen einmal genau betrachtet:
Die Armutsquote im Land Bremen liegt bei 28 Prozent, im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mit 16,6 Prozent. Davon sind viele Kinder und Jugendliche betroffen. KINDERARMUT ist hier nicht nur ein Wort, sondern bittere Realität.
Die warme Mahlzeit fehlt vielen. Aber besonders hart trifft sie die gesellschaftliche und soziale Ausgrenzung: Kino, Schwimmbad, Nachhilfe, Sportverein, Musikunterricht, Klassenfahrt, Konzert- oder Theaterbesuch sind nicht möglich.
Stigmatisierung, Isolation, Frust, Verzweiflung, Aggression sind u.a. die Folgen dieser Lebensumstände.
Hinzu kommen Ängste und Depressionen, die sich in einer derzeit stark von Krisen und Kriegen geprägten Welt noch verstärken.
Hier kann eine auskömmlich finanzierte Kinder- und Jugendarbeit mit fachlich bedarfsgerechten Angeboten für die Jugendlichen ansetzen, sie auffangen, unterstützen und begleiten.
Doch das ist derzeit ein Problem: Der bremische Haushalt ist noch nicht beschlossen (haushaltslose Zeit), so dass keine Klarheit über die zukünftige finanzielle Ausstattung besteht und die Mittel nur monatlich anteilig ausgeschüttet werden (1/14). Langfristig kann so nicht geplant und befristete Arbeitsverträge verlängert werden.
Um dieser Notsituation etwas entgegenzusetzen, hatte die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG) die „Umwidmung“ eines anderen Budgettopfes vorgeschlagen, um diese Gelder für die laufenden Kosten im kommenden Jahr zu verwenden; zusätzlich zum Budget 2024. Der Jugendhilfeausschuss (JHA) hatte dieser Vorlage in seinen Sitzungen am 08.11. und 23.11.2023 ebenfalls zugestimmt.
Die von der Senatorin für Soziales vorbereitete Beschlussvorlage für die Deputationssitzung sah eine solche Lösung nun aber gar nicht mehr vor. Das sorgte für Irritationen und Unverständnis. Sollte diese Idee sang- und klanglos unter den Tisch fallen? Doch die politischen Vertreter*innen hatten nicht mit dem Engagement der Jugendlichen gerechnet, die lautstark protestierten.
Fazit des Nachmittags:
Es soll geprüft werden, ob die monatliche Ausschüttung auf ein 1/12 erhöht werden kann und eine Umwidmung des Budgettopfes wirklich möglich ist.
Besser als nichts, könnte man denken! Doch was wäre geschehen, hätten die Kinder- und Jugendlichen nicht schon seit Wochen ihrem Unmut Ausdruck verliehen und für ihre Rechte gekämpft.
Ein gutes Ende ist hier noch nicht abzusehen. So heißt es, wachsam zu bleiben, um weiter für eine adäquate Budgetierung der Kinder- und Jugendarbeit zu kämpfen.